„Wir hatten eher im April mit der Rückkehr des Fischadlers gerechnet, der als Art immer noch gefährdet ist. Umso mehr freuen wir uns über die gestrige Entdeckung,“, sagt Biologe Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung.
Webcam ermöglicht neue Erkenntnisse
In den kommenden Wochen wird sich erweisen, ob sich zu dem Einzeltier ein Partner gesellt und Nachwuchs zu erwarten ist. Dank der Technik kann das Leben der Fischadler auf dem Horst beobachtet und für wissenschaftliche Zwecke ausgewertet werden. Die Kamera ergänzt die Beobachtungsmöglichkeiten des seltenen Greifvogels.
„Bisher gab es nur die Möglichkeit, die scheuen Vögel am Himmel oder beim Fischfang zu beobachten. Mit der Kamera kann nun auch ihr Nestleben in schwindelerregender Höhe in Echtzeit verfolgt und dokumentiert werden. Die Bilder werden der Heinz Sielmann Stiftung interessante Erkenntnisse über den Fischadler in der Groß Schauener Seenlandschaft liefern“, erklärt Petrischak.
Einladung ins gemachte Nest in 2023
Mitarbeitende der örtlichen Naturwacht hatten im vergangenen Jahr vor der Fischadlersaison den Gitterkorb auf dem Strommast mit Ästen und Grassoden hergerichtet. So konnte sich ein junges Fischadlerpaar buchstäblich ins gemachte Nest setzen. Dort zog das Paar einen Jungvogel erfolgreich auf. Mitte Juli 2023 wurde der Jungvogel beringt. Mit der Unterstützung des örtlichen Netzbetreibers konnte im selben Zuge auch die Webcam installiert werden.
Ob der jetzt gesichtete Greifvogel das Jungtier oder eines der beiden Elternteile aus dem vergangenen Jahr ist, können die Fachleute der Stiftung bisher noch nicht sicher sagen. Auskunft darüber, ob es sich um einen standorttreuen Fischadler vom vergangenen Sommer oder ein anderes Individuum handelt, das den Horst auf dem Strommast erobert hat, kann nur der Ring an seinem Bein geben.
Ein Ring für die Wissenschaft
Anhand des Rings lassen sich einzelne Individuen identifizieren und individuelle Fakten über den Lebensweg des beringten Vogels zusammentragen. Sie werden an das zentrale Register der Vogelwarte Hiddensee gemeldet. Die Informationen über alle in der Vogelwarte registrierten Fischadler werden zu einem großen Bild zusammengefügt: Populationen, Zugrouten, Gefährdungen und vieles mehr können die Wissenschaftler:innen aus den Daten ableiten.
Live-Übertragung ins Internet
Bis zum erneuten Abflug der Fischadler nach Afrika im September überträgt die Webcam ihre Livebilder vom Fischadlerhorst ins Internet auf die Webseite der Heinz Sielmann Stiftung und auf einen großen Bildschirm im Heinz Sielmann Informationszentrum Groß Schauener Seen, das sich auf dem Gelände der örtlichen Fischerei Köllnitz befindet. Der Bildschirm ist Teil der Ausstellung „Eintauchen und abheben“, die über die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt in Sielmanns Naturlandschaft Groß Schauener Seen informiert.
Mehr über Sielmanns Naturlandschaft Groß Schauener Seen erfahren Sie hier.
HINTERGRÜNDE
Fischadler in den 1970er Jahren fast ausgerottet
Zurzeit leben wieder etwa 700 bis 750 Brutpaare der gefährdeten Art in Deutschland. In Europa hatten die Jagd auf Fischadler und die Anwendung von Pestiziden wie DDT den Fischadler bis Anfang der 1970er Jahre fast ausgerottet. Seit 1979 steht die Art unter Schutz. Die meisten Fischadler in Deutschland leben und brüten in den östlichen Bundesländern. Insbesondere in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich an fischreichen Seen wieder Fischadler angesiedelt.
Fischadler bevorzugen hohe Standorte
Etwa zwei Drittel der Fischadler brüten auf Leitungsmasten. Mit der Installation von Gitterkörben in wasser- und fischreichen Gegenden unterstützen Stromanbieter die Ansiedlung des Fischadlers. Leitungsmasten entsprechen in optimaler Weise den Bedürfnissen der Fischadler: Sie sind hoch, bieten freien Anflug und guten Rundumblick. Natürliche Standorte für Adlerhorste sind in Mitteleuropa vor allem hohe freistehende Bäume.