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Erzwespen mit kuriosem Lebensstil in der Döberitzer Heide entdeckt

Erzwespe Eucharis adscendens© Dr. Jörg Müller
Larven der Erzwespe Eucharis adscendens© Dr. Hannes Petrischak

Ihre Larven betäuben Insekten und saugen Ameisenköniginnen von innen aus: Die Erzwespe Eucharis adscendens hat einen hochspezialisierten Lebenswandel und wird deshalb nur selten registriert. Experten der Heinz Sielmann Stiftung entdeckten die faszinierenden Tiere nun kürzlich in der Döberitzer Heide bei Berlin – ein Zeichen für die komplexe und wertvolle Vielfalt der Landschaft.

Nur rund zwei Wochen im Jahr taucht diese Erzwespenart in ihrer ausgewachsenen Form auf, bevor die Tiere sterben und kaum sichtbare Eier und Larven hinterlassen. Mit ihrer bizarren Körperform und ihrem schwarz-rot-grün schillernden Panzer wirken die bis zu einen Zentimeter großen Wespen wie aus einer anderen Welt.

Noch außergewöhnlicher als ihr Aussehen ist nur ihr Lebenswandel. Damit die Larven der Erzwespe heranwachsen können, brauchen sie spezielle Pflanzen und Wirtstiere, bei denen sie parasitieren können. Diese Faktoren waren Mitte Juni in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide vorhanden – und haben dort für ein punktuelles Massenauftreten der Tiere gesorgt.

Art ist bisher kaum erforscht

„Offenbar war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt der Biologe Dr. Jörg Müller, der bei der Heinz Sielmann Stiftung für das Ökologische Monitoring zuständig ist. Er entdeckte die Erzwespen bei einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme von Insekten bei Priort. „Es waren dutzende Tiere, die träge auf den hellen Blütendolden von Sichelmöhren saßen“, erzählt Müller.

Eucharis adscendens ist damit die 6657. Art, die in der Döberitzer Heide gefunden wurde. Bisher gibt es nur wenige Nachweise der Art in Deutschland – was womöglich damit zusammenhängt, dass sie nur in einem sehr schmalen Zeitfenster auftritt. Entsprechend gering ist das Wissen über die Tiere. Sicher ist, dass die Erzwespen ihre Eier nur auf wenigen Pflanzenarten ablegen, darunter Sichelmöhren. Beobachtungen und Experimente zeigen den mutmaßlichen Lebenszyklus von Eucharis adscendens – und der ist durchaus spektakulär.

Wespenlarve saugt ihre Opfer langsam aus

Demnach verfügen die Larven der Tiere über ein Kontaktgift, das ausschließlich auf Insekten wirkt. Berührt ein vorbeilaufendes Insekt die Larve, fällt es betäubt von der Blütendolde auf den Boden – wahrscheinlich inklusive der an ihr haftenden Larve. Forscher vermuten, dass das Insekt dann von Ameisen aufgenommen und als Futter in den Ameisenbau verschleppt wird.(1) Hier gelangt die Wespenlarve dann schließlich zu ihrem Bestimmungsort: Die Larven von Ameisenköniginnen.(2)

Hat die Wespenlarve ihr Ziel erreicht, dringt sie unter die Haut der Königinnenlarve und wartet dort, bis sich das Wirtstier verpuppt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Wespenlarve damit, ihren Wirt nach und nach auszusaugen. Erst zum Schluss geht sie dabei die lebenswichtigen Organe an. Schließlich verpuppt sich die Wespenlarve selbst in dem Ameisenkokon. Sie schlüpft als ausgewachsenes Tier, zurück bleibt die ausgesaugte Ameisenpuppe.

Fast zwölf Monate, nachdem der Parasit als Larve in den Ameisenbau gelangt ist, verlässt er ihn wieder als ausgewachsene Erzwespe. Von den Ameisen wird er dabei offenbar nicht angegriffen. Die ausgewachsenen Wespen leben dann noch wenige Wochen, in denen sie sich paaren, Eier legen und schließlich sterben.(3) 

Döberitzer Heide ermöglicht komplexe Naturverhältnisse

Sichelmöhren, Ameisen, Erzwespen: Das komplexe Zusammenspiel der Arten ist ausschließlich dann möglich, wenn für jede von ihnen passende Lebensbedingungen herrschen. „Die Erzwespen sind Teil eines Netzwerks von spannenden Wechselbeziehungen der Natur“, sagt Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung: „Das Auftreten von Eucharis adscendens bezeugt stellvertretend die Strukturvielfalt der Döberitzer Heide und zeigt damit, wie wertvoll diese Landschaft ist.“

Müller und Petrischak werden die gefundenen Vorkommen der Erzwespenart nun weiter beobachten. Bislang ist beispielsweise noch unklar, welche Ameisenart in der Döberitzer Heide von den Parasiten als Wirtstiere verwendet werden. Um das Wissen über die faszinierende Art zu mehren, planen die Experten eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu dem außergewöhnlichen Fund.

Mehr Informationen über Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide finden Sie hier

 

LITERATURANGABEN    

(1) Creutzburg F., Müller J. (2019): Eucharis adscendens (Fabricius, 1787) und Stephanus serrator (Fabricius, 1798) - selten gefundene Parasitoide (Insecta: Hymenoptera: Chalcidoidea & Stephanoidea). Thüringer Faunistische Abhandlungen XXIV, S. 219-229.

(2) https://www.insekten-sachsen.de/Pages/TaxonomyBrowser.aspx?id=70155, aufgerufen am 10.07.2024. 

(3) Bürgis H. (2010): Beobachtungen zur Biologie der Erzwespe Eucharis adscendens (F., 1787) in Rheinhessen (Hymenoptera: Chalcidoidea: Eucharitidae). Fauna Flora Rheinland-Pfalz 11: Heft 4, S. 1125-1150.

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