Nina Lipecki von der Ökologischen Station Hildesheim und Gründerin des Vereins AG Feldhamsterschutz Niedersachsen e. V. fasst die Bestandsentwicklung des Feldhamsters wie folgt zusammen: „Die Ausgangslage und Situation für den Feldhamster ist katastrophal. Wir sehen uns mit einer stetigen Abnahme der Tierzahlen auf der einen Seite und Inzuchtproblemen durch sogenannte Verinselungen auf der anderen Seite konfrontiert.“ So lässt zum Beispiel die Bestandsentwicklung der letzten acht Jahre eine Abnahme um mehr als 50 Prozent auf weniger als 30 Tiere allein im Landkreis Göttingen erkennen. Damit kann sich dieser Hamsterbestand nicht mehr aus eigener Kraft erholen.
Dabei ist der Feldhamster nach europäischen Vorgaben, der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, mit der höchsten Priorität in Bezug auf seine Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen zu behandeln. „Vor diesem Hintergrund“, sagt Lipecki, „sehen wir die Notwendigkeit, dringend die Vorgaben zur Gestaltung und Lage der Kompensationsflächen hamstergerechter zu gestalten.“
Biodiversität muss sich wirtschaftlich lohnen
Die Ursache für die abnehmenden Bestandszahlen des weltweit vom Aussterben bedrohten Wühler sind vorrangig in der Zerschneidung und Abnahme von geeignetem Lebensraum zu finden. Der Feldhamster (Cricetus cricetus) ist ein typischer Kulturfolger, der zunächst die strukturreichen und kleinräumigen Ackerkulturlandschaften annahm, aber mittlerweile durch die schnell fortschreitenden Veränderungen in seinem Lebensraum an den Rand des Aussterbens gebracht wird.
Zusätzlich ist der Feldhamster einem gestiegenen Druck durch Beutemacher wie Greifvögel und Fuchs ausgesetzt, wenn Ernten und Bodenbearbeitungen der Felder zu abrupten Deckungsverlusten führen.
„Der Hamster kann ohne Landwirtschaft nicht überleben. Also benötigen wir erst einmal überhaupt Rahmenbedingungen für eine auskömmliche Landwirtschaft und nicht noch mehr Bebauung und Zersiedlung“, sagt Carl-Jürgen Conrad, Geschäftsführer des Landvolks Hildesheim Kreisbauernverbands e. V.
„Unsere Herausforderung ist es, Möglichkeiten zu schaffen, bei denen sowohl die Hamster als auch die Landwirtschaft betreibenden Menschen nebeneinander bestehen können“, ergänzt Lipecki. „Wir wollen der Agrarindustrie nicht nur Auflagen vorgeben, es müssen gleichermaßen finanzielle Anreize geschaffen werden, damit sich das ‚Erzeugnis Biodiversität‘ in der Landwirtschaft rechnet.“
Niedersächsisches Zuchtprogramm für Feldhamster
Die Ökologische Station Hildesheim arbeitet gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Hildesheim und der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen e. V. sowie mit weiteren Behörden, Vereinen, Ehrenamtlichen und auch landwirtschaftlichen Betrieben am aktiven Hamsterschutz. Dabei stehen besonders landwirtschaftliche Maßnahmen wie eine hamsterfreundliche Planung von Aussaat und Flächenbearbeitung im Fokus. Zudem soll 2024 ein Zuchtprogramm für Feldhamster in Niedersachsen eingerichtet werden.
Windstromleitung und Hamsterschutz zusammenführen
Auch beim Projekt der Windstromleitung SuedLink, bei dem Nina Lipecki als Expertin hinzugezogen wurde, werden neue Wege im Feldhamsterschutz begangen. So werden die Betreiber Tennet TSO GmbH und Transnet BW GmbH konkrete naturschutzfachliche Maßnahmen zum Wohle der Hamster umsetzen: unter anderem die Schaffung von Blühstreifen, das Nachzüchten und das Schaffen von Flächen für eine Wiederansiedlung.
Neben Redner:innen der AG Feldhamsterschutz Niedersachsen e. V., der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz, der Landesjägerschaft Niedersachsen e. V., der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. sowie der TenneT TSO GmbH und Signum Artenspürhunde nahmen mehr als 50 interessierte Besucher:innen an dem 5. Feldhamsterforum Niedersachsen teil. Ehrenamtliche und Vertreter:innen von ökologischen Stationen, Umweltministerien, der unteren Naturschutzbehörde und des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz tauschten sich dabei über neue Möglichkeiten beim Feldhamsterschutz aus.
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