Die Heinz Sielmann Stiftung hat seit 2004 ein in Deutschland einmaliges Großsäugerprojekt am westlichen Stadtrand von Berlin aufgebaut. Aktuell leben etwa 130 Wisente in der so genannten Kernzone des ehemaligen Truppenübungsplatzes Döberitz. Damit ist die Wisentherde die größte in Deutschland. Gemeinsam mit anderen Großsäugern gestalten die urigen Wildrinder weitgehend frei von menschlichem Einfluss die Landschaft.
2006 zogen die ersten Wisente in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide ein. Seit 2010 bewohnen sie gemeinsam mit Przewalskipferden und Rotwild ein Semireservat von 1850 Hektar, umfriedet von einem rund 22 km langen Zaun und umgeben von noch einmal 1800 Hektar Natur.
Größte europäische Landsäuger fressen für die Artenvielfalt
Durch ihr Fressverhalten, ihren ausgeprägten Spieltrieb, ihre Vorliebe für Sandbäder und ihre Wanderwege unterdrücken und verzögern Europas größte Landsäugetiere die Wiederbewaldung, erhalten wertvolle Offenlandstrukturen und fördern damit die biologische Vielfalt.
Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Bereichs Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung, erklärt: „Wildbienenarten nutzen den vom Sandbad des Wisents geöffneten Boden, um ihre Niströhren anzulegen. Die Dungkäfer auf ihrem Kot sind Speise für den seltenen Wiedehopf. Junge Pioniergehölze wie Birken und Traubenkirschen werden gefressen oder kaputt gespielt, so dass die halboffenen Flächen für die typischen Arten erhalten bleiben.“
Wisentherde für den Arterhalt
Von vier Tieren zu Beginn des Projekts ist die Herde bis heute auf etwa 130 Tiere gewachsen. Jedes Jahr werden Kälber geboren und verjüngen die Herde. Damit dient das Projekt auch in besonderem Maße dem Arterhalt. Auf der großen Fläche, wo Offenland, Halboffenland und Wald sich abwechseln, leben die Tiere fast wild und können ihre ursprünglichen Verhaltensweisen ausleben. Diese dienen wiederum dem Erhalt der Artenvielfalt auf der Fläche.
„Für die Erfüllung der naturschutzfachlichen Ziele der Europäischen Union werden dringend mehr Wisente im NATURA 2000 Gebiet ‚Döberitzer Heide‘ benötigt“, erklärt Michael Beier, Vorstandsvorsitzender der Heinz Sielmann Stiftung. „Die Offenlandflächen wie Wüste oder Nordheide können nur mit Großherbivoren erhalten und dauerhaft geschützt werden“, so Beier.
Rettung für die Wisente
Im Jahr 1923 gründete sich in Berlin die „Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“, die eine Erhaltungszucht mit den verbliebenen Tieren aufbaute. Denn durch Bejagung war der Wisent in den 1920er Jahren in Europa fast ausgerottet und nach dem Abschuss des letzten Wisents im Kaukasus 1927 nur noch in Zoos und Gehegen zu finden. Alle heutigen Wisente stammen von nur 12 Tieren ab. Heute gibt es in Europa wieder rund 8.000 Wisente.
Seit 2019 setzen sich Zoo und Tierpark Berlin gemeinsam mit dem WWF Deutschland für die Rückkehr des Wisents in seinen natürlichen Lebensraum im Kaukasus ein. Im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts in Aserbaidschan wurden bislang 37 Wisente in der Kernzone des rund 1300 km² großen Shahdag Nationalparks ausgewildert. Gemeinsames Ziel ist es, bis 2028 rund 100 Tiere nach Aserbaidschan zu bringen.
HINTERGRUND
Die Gebiete „Döberitzer Heide“ und „Ferbitzer Bruch“ auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz „Döberitz“ am westlichen Rand von Berlin stehen seit 1997 unter Naturschutz. Die abwechslungsreiche Landschaft beheimatet viele verschiedene Lebensraumtypen und genießt deshalb den Schutz eines Fauna-Flora-Habitats. Offene Sandflächen, Mager- und Trockenrasen, lichter Wald und sonnenbeschienene Waldränder ermöglichen eine große Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen. Auch ist Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide zugleich als Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung, es gehört zu den so genannten Special Protected Areas (SPA) und Important Bird Areas (IBA).