Die Heinz Sielmann Stiftung hat eine umfangreiche Pilzuntersuchung auf ihrer Waldfläche bei Schloss Weißenstein in der Stadt Lauterstein veranlasst. Die aktuellen Auswertungen des Monitorings aus den Jahren 2021 bis 2024 haben ergeben, dass das Waldbiotop eine wahre Fundgrube für seltene und bedrohte Pilzarten ist: Insgesamt 691 Arten[1] wurden auf Flächen des 96 Hektar großen Areals entdeckt.
Die tatsächliche Zahl der vorkommenden Pilzarten dürfte sogar noch deutlich höher liegen. „In den Untersuchungsjahren hatten wir sehr trockene Sommer- und Herbstmonate, keine optimalen Wuchsbedingungen. Daher gehen wir davon aus, dass es auf der Fläche noch weitaus mehr Arten gibt, als wir erfasst haben“, erklärt Dr. Heiko Schumacher, Leiter des Bereichs Biodiversität der Heinz Sielmann Stiftung.
Neufund für Deutschland
Die Ergebnisse zeigen beispielhaft, dass die steilen und deshalb kaum bewirtschafteten Hangwälder der Schwäbischen Alb wertvolle Refugien für die Natur und besonders auch für Pilze sind. Sogar ein Neufund für Deutschland wurde erfasst: Das Österreichische Stromakissen[2] ist ein parasitärer Pilz, der den im Waldbiotop häufig gefundenen Dornigen Wachsrindenschwamm[3] befällt.
Wertvolles Refugium für bedrohte Arten
19 der im Waldbiotop entdeckten Pilzarten stehen auf der Roten Liste für gefährdete Arten, darunter der vom Aussterben bedrohte Korallenrote Saftling[4].„Saftlinge und ihre Begleitpilze[5]finden heute nur noch wenige geeignete Lebensräume, da sie auf nährstoffarme Böden angewiesen sind“, erläutert der Pilzexperte Dr. Lothar Krieglsteiner, der von der Heinz Sielmann Stiftung mit dem Monitoring beauftragt wurde.
Früher seien sie auf der Schwäbischen Alb sehr häufig vor allem auf Heideflächen und Magerwiesen gewachsen. Durch die intensive Bewirtschaftung dieser Flächen sind sie dort aber stark zurückgedrängt worden. In Sielmanns Waldbiotop Schwäbische Alb hat sich der seltene Pilz glücklicherweise halten können.
Pilze sind Wald- und Klimaschützer
„Ich habe auch einige bemerkenswerte Mykorrhiza-Arten entdeckt, einer davon ist der Rotscheibige Täubling[6]“, erklärt Krieglsteiner. „Meiner Kenntnis nach konnte ich diese Art zum ersten Mal auf der Schwäbischen Alb nachweisen. Deutschlandweit wurde sie erst dreizehnmal dokumentiert.[7]“ Mykorrhiza-Pilze gehen Symbiosen mit den meisten Pflanzen ein und versorgen sie mit wichtigen Nährsalzen.[8] Ihr weit verzweigtes Netz unter der Erde ist für die Wasserversorgung der Pflanzen unersetzlich. Der Rotscheibige Täubling lebt vornehmlich mit Buchen zusammen.
Waldböden mit einem dichten Pilzgeflecht binden nachweislich um ein Vielfaches mehr CO2 als solche mit geringem Pilzvorkommen. Pilze machen Wälder außerdem resistenter gegen die steigenden Temperaturen durch die Klimaerwärmung. Sie versorgen, beschützen und verjüngen die Wälder. Dass Pilzschutz auch Klimaschutz ist, wird bis heute jedoch noch kaum berücksichtigt.
Weniger Eingriff ist mehr
Tote oder kranke Bäume und nährstoffarme Böden sind wichtige Lebensgrundlagen für viele Pilze. Vor allem intensive Forstwirtschaft und Stickstoffeinträge bedrohen das Pilzreich im Wald. „Unser Waldbiotop in Weißenstein ist ein weitgehend unberührter Altwald. Wir lassen die meisten alten und absterbenden Bäume stehen und greifen nur zum Zwecke der Verkehrssicherung ein“, erläutert Dr. Heiko Schumacher: „Die hier vorgefundene Vielfalt an Pilzarten zeigt, wie wirkungsvoll es ist, wenn wir der Natur Räume zur freien Entwicklung überlassen.“
Weitere Hintergründe zum Thema können Sie im Experteninterview mit Dr. Lothar Krieglsteiner nachlesen.
Mehr über Sielmanns Waldbiotop Schwäbische Alb erfahren Sie hier.
[1] 39 dieser Arten zählen zu den Schleim- und Eipilzen, die streng genommen keine Echten Pilze sind. Mit Hilfe der Molekulargenetik wurde diese Erkenntnis in den 1990er Jahren abgesichert und bestätigt.
[2] Wissenschaftl. Name: Trichoderma austriacum
[3] Wissenschaftl. Name: Eichleriella deglubens
[4]Wissenschaftl. Name: Hygrocybe constrictospora
[5] Sogenannte Saftlingsgesellschaften
[6] Wissenschaftl. Name: Rusulla rhodella
[7] Vgl. Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Mykologie: www.pilze-deutschland.de
[8] Vor allem Stickstoff- und Phosphorverbindungen