Einzigartig in der Geschichte des hiesigen Artenschutzes ist das Waldrapp-Projekt, das 2002 an der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau gegründet wurde und seit 2007 von der Heinz Sielmann Stiftung unterstützt wird. Das Ziel ist, die in Mitteuropa ausgestorbene Ibis-Art Waldrapp im ehemaligen Verbreitungsgebiet wieder heimisch zu machen. Dazu werden in Zoos geschlüpfte Küken großgezogen, bis man ihnen mit einem geleiteten Flug über die Alpen den Weg in ihr Überwinterungsgebiet zeigt. Wurde den jungen Waldrappen die Route einmal gezeigt, finden sie fortan selbständig zurück. „Die Waldrappe wissen, dass sie Zugvögel sind, nur haben sie vergessen, wohin die Reise geht. Der geleitete Flug ersetzt sozusagen den Part, den normalerweise die Elterntiere übernehmen“ fasst es Holger Belz von der Heinz Sielmann Stiftung zusammen. Die Heinz Sielmann Stiftung fördert das Waldrappteam in diesem Jahr mit insgesamt 27.000 Euro.
Ausstellung IBIS WORLD während der Aufzuchtphase
Während des Flugtrainings in Burghausen ist auf dem Marktplatz der Stadt die Ausstellung „Ibis World" zum Waldrapp-Projekt von 20. Juni bis Mitte August zu erleben. Am 26. und 27. Juni finden die Aktionstage der Heinz Sielmann Stiftung in Burghausen statt. Besucher können sich in ein Original-Fluggerät setzen und eine Flugsimulation erleben. Auf einer Projektionsfläche werden eine 3D-Projektion der Landschaft sowie animierte, fliegenden Waldrappe eingespielt.
Erfolge der letztjährigen Migrationen
Seit 2007 werden jährlich Gruppen von zehn bis 15 jungen Waldrappen aus Deutschland in das Überwinterungsgebiet in den Süden geleitet. Von Juni bis August findet das Flugtraining mit den Zieheltern und erfahrenen Piloten in Burghausen statt. Mitte August ist dann der Start für die 1.300 Kilometer lange Reise über Österreich, Slowenien und Venetien bis in die Toskana zur Laguna di Orbetello. Die erwachsenen Tiere werden nach drei Jahren mit Erreichen der Geschlechtsreife wieder in ihre Aufzuchtsgebiete zurückkehren und mit eigenen Bruten beginnen. Zukünftig übernehmen dann die Elternvögel für ihre Jungen die Zug- und Flugbegleitung in den Süden.
Mit wachsendem Erfolg, wie Projektleiter Dr. Johannes Fritz vom Waldrappteam bestätigt: „Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass im Rahmen einer menschengeleiteten Migration bis zu 15 Vögel in den Süden geführt werden können. Um eine zur zukünftigen Wiederansiedlung 'kritische Größe' von 30 Tieren für einen Standort wie Burghausen zu bekommen, sind daher drei Migrationen in auf einander folgenden Jahren erforderlich.“ In der mittelfristigen Perspektive ist es möglich, dass 2011 erstmals eine Waldrapp-Brut in Bayern stattfinden kann – die erste nach über 350 Jahren.
Hintergrund: Waldrapp
Der Waldrapp steht kurz vor dem Aussterben – der Weltbestand beträgt nur noch 350 in freier Wildbahn lebende Tiere. Die Lebens-bedingungen für den Waldrapp sind in Teilen Österreichs und Süddeutschlands sehr gut, so dass die Chancen einer Wiederbesiedlung des Alpenraumes groß sind. Denn nicht primär die Zerstörung von Lebensräumen hat im 16. und 17. Jahrhundert zum Aussterben des Waldrapps geführt, sondern intensive Bejagung. Ein Einfluss der heute nicht mehr zum Tragen kommt. Interessant ist zudem, dass Nahrungsflächen, die der Waldrapp benötigt, in erster Linie ökologisch bewirtschaftete Grünländer sind. Ein Lebensraum, der in Deutschland und Österreich vorhanden ist. Hier findet der Waldrapp ausreichend Futter.