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Rekordflieger Waldrapp: Jungvögel dank menschengeleiteter Migration in Überwinterungsgebiet angekommen

In der Geschichte des Artenschutzes ist das 2002 an der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau gegründete Waldrapp-Projekt einzigartig. Seit 2007 werden jährlich bis zu 15 junge Waldrappe mit Hilfe von „Zieheltern“ und erfahrenen Piloten in ihr Überwinterungsgebiet nach Italien geleitet – und lernen so die überlebenswichtige Flugroute in ein gemeinsames Wintergebiet.

In diesem Spätsommer erreichte das Waldrappteam mit 14 Jungvögeln bereits nach 30 Tagen das Schutzgebiet Laguna di Orbetello in der südlichen Toskana. Dies war mit nur sieben Flugetappen und bei einer mittleren Flugdistanz von rund 180 km die mit Abstand schnellste Migration im Rahmen des Projektes. Ausgangspunkt der Reise war am 18. August das bayerische Burghausen. Die 1.219 km lange Route führte über Österreich, östlich vorbei an den Alpen, über Slowenien bis nach Italien.

Eine Schlüsselrolle beim Erfolg dieses außergewöhnlichen Reiseunternehmens spielten die beiden „Ziehmütter“ Daniela Trobe und Sinja Werner. „Die beiden Biologinnen haben im April die Kükengruppe zur Aufzucht übernommen und sich seither voll und ganz ‚ihren’ Vögeln gewidmet“, erläutert Projektleiter Johannes Fritz. Die Vögel stammen aus den Brutkolonien des Tierpark Rosegg und der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau im Almtal. Bis Ende Mai fand die Aufzucht im Münchner Tierpark Hellabrunn statt.

Für den Flug in den Süden ist ein besonderes Flugtraining mit Ultraleichtfluggeräten notwendig. Hierzu wechseln die Jungtiere alljährlich im Juni in ein Trainingscamp bei Burghausen in Bayern. Es war der Kinofilm „Amy und die Wildgänse“, der den Verhaltensbiologen Johannes Fritz von der Universität Wien seinerzeit auf die Idee gebracht hatte, den jungen Waldrappen mit Hilfe eines Ultraleichtfluggeräts den Weg über die Alpen zu zeigen. Er engagierte Vogelbegeisterte wie Daniela Trobe und Sinja Werner, die bereit waren, sich zu 100 % auf die Rolle als Waldrappeltern einzulassen. Denn um ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, müssen die Küken bis zu ihrem ersten Abflug von frühmorgens bis spätabends betreut werden. Nur so folgen die Waldrappkinder dem „Elternteil“ auch dann, wenn es in einem Ultraleichtfluggerät sitzt. „Die Waldrappe wissen, dass sie Zugvögel sind, nur wissen sie nicht, wohin die Reise geht. Der geleitete Flug ersetzt den Part, den normalerweise die Elterntiere übernehmen“, fasst es Holger Belz von der Heinz Sielmann Stiftung, die das Projekt seit 2007 finanziell unterstützt, zusammen.

„Die Neuankömmlinge sind in der Toskana derzeit in einer Voliere zusammen mit den Waldrappen aus den Vorjahren untergebracht“, so Projektleiter Fritz. Zukünftig soll jeder Waldrapp mit einem GPS Tracker ausgestattet werden – einem elektronischen Ortungssystem, das einen verbesserten Schutz sowie die Erhebung wissenschaftlicher Daten ermöglicht.

Die erwachsenen Tiere werden nach drei Jahren mit Erreichen der Geschlechtsreife wieder in ihre Aufzuchtsgebiete zurückkehren und mit eigenen Bruten beginnen. Zukünftig übernehmen dann die Elternvögel für ihre Jungen die Flugbegleitung in den Süden.


Hintergrund: Waldrapp

Der Waldrapp (Geronticus eremita) steht kurz vor dem Aussterben – es gibt heute nur noch zwei Populationen in freier Wildbahn: eine westliche in Marokko, die inzwischen wieder auf 400 Vögel mit 100 Brutpaaren angewachsen ist und eine östliche, erst 2002 entdeckte Reliktpopulation mit gegenwärtig nur drei Individuen, die in Syrien brüten und in Äthiopien überwintern.

Ziel des Waldrapp-Projektes ist es, die in Mitteuropa ausgestorbene Ibis-Art Waldrapp in ihrem ehemaligen Verbreitungsgebiet wieder heimisch zu machen. Dazu werden in Zoos geschlüpfte Küken großgezogen, bis man ihnen mit einem geleiteten Flug den Weg in ihr Überwinterungsgebiet zeigt. Wurde den jungen Waldrappen die Route einmal gezeigt, finden sie fortan selbständig zurück. Die Lebensbedingungen für den Waldrapp sind in Teilen Österreichs und Süddeutschlands sehr gut, so dass die Chancen einer Wiederbesiedlung des Alpenraumes groß sind.

Interessant ist zudem, dass Nahrungsflächen, die der Waldrapp benötigt, in erster Linie ökologisch bewirtschaftete Grünflächen sind. Solche hochwertigen Nahrungsflächen stehen in Deutschland und Österreich in zunehmenden Umfang zur Verfügung.

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