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Die Kreuzotter – Reptil des Jahres und trotzdem unbeliebt?

Schlangenexperte Paul Hien© Samantha Biebl

Der Amphibien- und Reptilienexperte Paul Hien aus Niederbayern unterstützt die Heinz Sielmann Stiftung bei der Planung und Umsetzung von Biotopmaßnahmen. Kürzlich hat er auf einer neu erworbenen Fläche der Stiftung beim Bayerischen Wald einige Exemplare der Kreuzotter entdeckt und untersucht. Im Interview erklärt er, wie es um den Forschungsstand und das Image der Giftschlange steht.

Herr Hien, Sie beschäftigen sich seit Ihrer Kindheit mit Schlangen. Besonders die Kreuzotter hat es Ihnen angetan. Wie gut ist sie bis heute erforscht?

Es ist erstaunlich: Obwohl die Kreuzotter zu den Schlangenarten gehört, die am meisten erforscht worden ist, wissen wir heute kaum etwas über sie. Es gibt unzählige Studien weltweit, doch sie widersprechen sich enorm. Daher werden wir aus dieser Schlangenart nicht wirklich schlau. Offenbar spielen bei ihrem Verhalten viele Variablen und äußere Umstände mit hinein.

Hier in Deutschland ist die Kreuzotter als Giftschlange ja besonders bekannt. Wie gehen die Menschen mit ihr um?

Früher, bevor das Penicillin entwickelt wurde, hatte ein Biss manchmal schlimme Folgen. Betroffene Gliedmaße mussten amputiert werden und es gab Todesfälle durch Blutvergiftung. Damals hatte die Kreuzotter durchweg ein negatives Image. Heute kann man die Folgen eines Bisses mit Hilfe von Penicillin und dem Gegengift gut behandeln und die Tiere sind sehr selten geworden. Immer mehr Menschen erkennen sie als wichtigen Teil der Natur an und sind von ihr fasziniert. Übertreibungen und falsche Behauptungen kursieren aber leider noch immer.

Wie gefährlich ist ein Biss der Kreuzotter heute tatsächlich?

Das ist schwer zu sagen und hängt von vielen Faktoren ab. An welcher Stelle man gebissen wird, wie viel Gift die Schlange abgibt und in welchem gesundheitlichen Zustand man sich befindet. Die Folgen können ganz unterschiedlich sein - angefangen von einer wespenbissartigen Wunde bis hin zu Kreislaufkollaps und Herzstillstand. Generell sind die Symptome sehr gut zu behandeln, aber ihr Biss ist trotzdem sehr unangenehm und mit Schmerzen verbunden. Man sollte ihn immer als medizinischen Notfall betrachten und sich unbedingt in ein Krankenhaus fahren lassen, denn sollte eine (seltene) allergische Reaktion auftreten, zählt jede Minute.

Wie kann man sich vor einem Kreuzotter-Biss schützen?
Kreuzottern greifen nie an, außer sie fühlen sich bedroht. Die meisten Unfälle passieren beim Blaubeeren-Pflücken im Wald, wenn die Menschen völlig unvermittelt in die Büsche treten. Wichtig ist es, die Schlangen nicht zu erschrecken, man kann sie zum Beispiel mit einem Stock vorwarnen. Ich sehe auch immer wieder Menschen barfuß in Kreuzotter-Gebieten herumlaufen, weil sie im Fluss baden wollen. Das ist dann so, wie über die Straße laufen, ohne nach links oder rechts zu schauen. Feste Schuhe sind in Kreuzottergebieten der wichtigste Schutz.

Warum ist es so wichtig, die Kreuzotter zu schützen? Welche Rolle spielt sie im Ökosystem?
Einen direkten Einfluss haben die Kreuzottern natürlich auf die Mäusepopulationen. Durch ein Gleichgewicht zwischen Räuber und Beute wird die Verbreitung von Krankheiten, wie Hanta-Viren oder das Borna-Virus, eingedämmt. Außerdem sind die Inhalte ihres Giftes bisher kaum erforscht, da würden sich sicherlich interessante Stoffe für die Herstellung von Medikamenten finden. Aber es geht ja nicht nur um den direkten pragmatischen Nutzen. Wir sind auf funktionierende Ökosysteme angewiesen und da zählt jeder Baustein.

 

ZUR PERSON

Paul Hien, geboren 1972, ist seit seiner Kindheit fasziniert von Schlangen. Der gelernte Schreiner war lange Zeit als Tierfilmer in der ganzen Welt unterwegs. Seit einigen Jahren engagiert er sich für den Naturschutz, berät Organisationen und setzt Schutzmaßnahmen um, unter anderem auch für die Heinz Sielmann Stiftung. Zu Hause in Niederbayern hält er Kreuzottern in groß angelegten Gehegen in seinem Garten.

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