„Die Untersuchung bestätigt unser Bemühen, noch vorhandene Streuobstwiesen als wertvolle Biotope gezielt mit Jungbäumen zu ergänzen und zu verjüngen“, erklärt Walter Stelte, Vorstand der Heinz Sielmann Stiftung. „Diese Maßnahmen bilden einen Teil unseres Projektes Biotopverbund Bodensee."
Die Untersuchung ergab, dass ein Viertel der wertvollen alten Kulturobstsorten verloren zu gehen droht. Von den rund 100 Sorten – 53 % der untersuchten Bäume waren Apfelsorten und 47 % Birnensorten – ließen sich 75 % einer in der Literatur beschriebenen Sorte zuordnen. Selbst diese sind allerdings selten geworden. Wer erinnert sich noch an die Träublesbirne, die Rote Pichelbirne, den Rambur Mortier, Raafs Liebling oder den Pomme d´Or? Selbst der Salemer Klosterapfel konnte nur an einem einzigen Standort gefunden werden.
Nur 14 % der Sorten wurde häufig, d.h. mit mehr als zehn Bäumen ermittelt, darunter eher unbekannte Sorten wie der Danziger Kantapfel, die Goldrenette, die Oberösterreicher Weinbirne, der Transparent aus Croncels. Dagegen waren 79 % selten, d.h. nur noch in 1 bis 3 Exemplaren zu finden. Am weitesten verbreitet und am wenigsten gefährdet sind der Boskoop und die Schweizer Wasserbirne. Teilweise wurden auch stark überalterte Baumbestände vorgefunden, die aufgrund ihrer geringen Vitalität in naher Zukunft abgeholzt zu werden drohen. Die Erhaltung dieser Obstsorten ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität.
Die Obstkultivierung ist ebenso wie der Getreideanbau eine der bedeutendsten Kulturleistungen der Menschheit. Kulturobstsorten werden vegetativ vermehrt. Dabei wird einer aus einem Apfel- oder Birnensamen bezogenen „Unterlage“ ein Edelreis einer Kultursorte aufgepfropft oder eine Knospe („Auge“) eingesetzt. In ganz Deutschland existieren rund 3.000 Obstsorten von denen etwa 60 eine größere Bedeutung als Tafel- oder Wirtschaftsobst haben.
Zur Methodik der Untersuchung
Bei der Untersuchung erfolgte im Untersuchungszeitraum zunächst eine grobe Erfassung der Obstbaumvorkommen mittels Luftbildaufnahmen. Anschließend wurden die Obstbäume in der Landschaft einzeln und flurstücksgenau erfasst und die Sorten bestimmt. In der Untersuchung wurde der Grad der Gefährdung aus fünf Parametern ermittelt: Häufigkeit der Sorte in der Region und überregional (häufig, zerstreut, selten), Zahl der Regionen mit entsprechenden Sorten-Vorkommen, sowie die Präsenz in Sammlungen und die Verfügbarkeit in Baumschulen (viele, vereinzelt, keine). Um zu einer Kennzahl zu gelangen, wurden dann die Boniturzahlen aller verwendeten Kriterien zusammengezählt und durch die Anzahl der verwendeten Kriterien geteilt, d.h. alle Kriterien wurden gleich gewichtet.
Sielmanns Biotopverbund Bodensee
Die Heinz Sielmann Stiftung realisiert seit 2004 im nordwestlichen Bodenseeraum auf einer Fläche von rund 300 Quadratkilometern das aus etwa 80 Einzelmaßnahmen bestehende Projekt „Biotopverbund Bodensee“. Zu der Projektkulisse gehören derzeit: Billafinger Tal, Salemer Tal, Überlinger Bucht und Tobelbäche, Kulturlandschaft Birnau-Maurach, Ried- und Nußbachtal sowie die Landschaft im Bereich der Stockacher Aach. Ein Maßnahmenschwerpunkt ist die Erhaltung und Erweiterung von Feuchtgebieten, etwa durch Renaturierungsmaßnahmen sowie die Neuanlage oder Wiedervernässung von Teichen. Die Heinz Sielmann Stiftung wurde 1994 von Professor Heinz Sielmann und seiner Frau Inge als öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts unter dem Leitsatz „Naturschutz als positive Lebensphilosophie“ gegründet. Ihre Hauptziele sind die Erhaltung letzter Refugien für seltene Tier- und Pflanzenarten sowie Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, durch persönliches Erleben an einen positiven Umgang mit der Natur heranzuführen. Die Heinz Sielmann Stiftung betreibt und unterstützt eine Vielzahl von Biotop- und Artenschutz-Projekten in der gesamten Bundesrepublik. Außerdem arbeitet sie mit Partnern im europäischen Ausland zusammen.