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Keiner kennt die Bienen besser: Wildbienenmonitoring in der Döberitzer Heide mit Christoph Saure

Mohnbiene (Hoplitis papaveris) schneidet ein Blütenblatt

279 Wildbienen- und Wespenarten hat der Berliner Insektenforscher Dr. Christoph Saure 2018 auf zwei Trockenstandorten in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide aufspüren können. In diesem Jahr geht Saure auf den Feuchtwiesen des Ferbitzer Bruch auf Wildbienensuche. Die Heinz Sielmann Stiftung hat den erfahrenen Entomologen mit dem Monitoring beauftragt, um einen Überblick über das aktuelle Vorkommen von Wildbienen und Wespen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Berlin zu erhalten. Insgesamt sind in Brandenburg 800 solcher so genannter Stechimmen-Arten registriert, wovon 65 Arten als ausgestorben gelten. Foto: Hannes Petrischak

Seit gut 30 Jahren untersucht der promovierte Biologe Flächen in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt und hat als einer der wenigen Wildbienenkenner in der Bundesrepublik ein enormes Wissen über die Vorkommen seltener und nicht seltener Arten angesammelt. Von seinem Wissen vor allem über die Vorkommen im Nordosten Deutschlands profitieren auch die Roten Listen für mehrere Bundesländer und für Deutschland, zu deren ständiger Aktualisierung er als Autor oder Mitautor beiträgt. 


Bienensuche im Gelände 

Ein sonniger Tag ohne Wind ist ein guter Tag für die Wildbienensuche. Dann fliegen die weiblichen Bienen aus, um Pollen zu sammeln, die seltenen wie die häufigen Arten. Also macht sich Christoph Saure mit den nötigen Utensilien in den Hosentaschen und einem Hut als Schutz vor der Juni-Sonne auf den Weg in die Feuchtwiesen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz am westlichen Stadtrand von Berlin. 

Von Frühjahr bis Herbst geht er mindestens einmal monatlich mit geübtem Blick über die zu untersuchenden Flächen auf der Suche nach besonderen Arten. An diesem Junitag hofft er, am Feldrand auf die vom Aussterben bedrohte Mohnbiene (Hoplitis papaveris) zu treffen, die er bereits in der Uckermark und auch westlich von Potsdam nachweisen konnte. Es ist also möglich, dass sie auch in der Döberitzer Heide lebt. Sie baut ihr Nest in lockeren Sandböden und kleidet es mit Blütenblättern der Mohnblume aus. Ihren Pollen sammelt sie gern an Kornblumen, Ackerwinde und Glockenblumen. 


Handwerkszeug des Insektenforschers 

Zur Grundausstattung eines Insektenforschers gehören kleine transparente Plastikbecher und Röhrchen, ein Diktiergerät und vor allem ein Kescher. Mit einem schnellen dreifachen Schwenk des Netzes durch die Luft fängt Christoph Saure das Objekt seines Interesses ein. Vorsichtig nimmt er dann das gefangene Insekt mit einem Plastikbecher aus dem Netz, schiebt einen kleinen Schaumstoffschwamm als Verschluss in den Becher und kann den Fang so in Ruhe betrachten. Kann das gefangene Insekt nicht sofort bestimmt werden, kommt es in ein Röhrchen mit Essigether und wird zu Hause unter einem Mikroskop genauer untersucht. 
Viele Wildbienenarten sind so klein, dass man selbst zur groben Bestimmung die Lupe zu Hilfe nehmen muss. Die ist also auch immer dabei. Manche Schmalbienen (Lasioglossum) zum Beispiel, die auch auf Feuchtwiesen vorkommen, sind nur 3-4 mm lang und können von Laien leicht mit einer geflügelten Ameise verwechselt werden. Von dieser Bienengattung gibt es in Brandenburg 50 Arten. Um sie zu unterscheiden ist meist eine Untersuchung unter dem Mikroskop unerlässlich.  


Bindung an Arten und Pflanzen 

Der Insektenspezialist kennt die Nahrungspflanzen und typischen Nistplätze der Wildbienen und weiß, wo er nach den speziellen Arten suchen muss. Die Schilfgallen-Maskenbiene (Hylaeus pectoralis) etwa nistet nahezu ausschließlich im Röhricht in den verlassenen Brutplätzen der Halmfliege (Lipara lucens). Sie ist also vor allem in feuchter Umgebung zu finden, ebenso wie eine Schmalbauchwespe, die wiederum nur bei dieser Maskenbiene parasitiert. So hängen verschiedene Arten in einem Ökosystem miteinander zusammen. 


Oligolektische Wildbienen 

Besonders ausgeprägt ist ein solcher Zusammenhang bei den so genannten oligolektischen Bienen. Sie ernähren ihre Brut nur von Pollen einer einzigen Pflanzengattung oder -familie. Allein acht Arten von Wildbienen sammeln in Brandenburg zum Beispiel nur an Glockenblumen Pollen. Eine solche ist die Kurzfransige Scherenbiene (Chelostoma campanularum), die Christoph Saure heute ins Netz geht. Schon 2018 hatte er die Glockenblumen-Schmalbiene (Lasioglossum costulatum) in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide auf den beiden Standorten Hasenheider Berg und Krampnitzberg nachweisen können. 

Weitere oligolektische Wildbienenarten in der Döberitzer Heide sind einige Sandbienenarten, darunter die Frühe Lockensandbiene (Andrena praecox), die Große Weiden-Sandbiene (Andrena vaga) und die Rotbauch-Sandbiene (Andrena ventralis). Diese typischen Frühjahrsarten benötigen Weidenblüten als Pollenquelle. Auf Besenheide (Calluna) spezialisiert ist die erst im August fliegende Heidekraut-Herbstsandbiene (Andrena fuscipes). Die Heidekraut-Seidenbiene (Colletes succinctus) besucht daneben gelegentlich auch noch andere Blüten. Beide Arten sind in der Döberitzer Heide zu finden. Das Verschwinden der Heidesträucher würde das Verschwinden dieser Wildbienenarten nach sich ziehen.  

In seiner Studie von 2018 hat Christoph Saure insgesamt einen Anteil von 17 Prozent solcher Pollenspezialisten auf dem Hasenheider Berg und 21 Prozent auf dem Krampnitzberg gefunden. Bundesweit geht man davon aus, dass jede dritte pollensammelnde Wildbienenart oligolektisch und damit an passgenaue Lebensräume gebunden ist.  


Das Überleben der Bienen 

Wenn Christoph Saure von Bienen spricht, meint er die Wildbienen. Die Honigbiene erfasst Christoph Saure nicht, denn sie ist eine domestizierte Art. Trotzdem begegnet ihm die Honigbiene auf den Flächen, die er in Berlin und Brandenburg Jahr für Jahr untersucht, sehr oft. In den 30 Jahren, die er jetzt als Wildbienenkenner unterwegs ist, hat die Menge der Honigbienen stark zugenommen. Um ihr Überleben macht sich Saure keine Sorgen. 

Die Wildbienen jedoch sind wie beschrieben an bestimmte Niststrukturen und an bestimmte Pflanzen gebunden. Ohne Pflanzenvielfalt gibt es keine Bienenvielfalt. Diese liegt dem engagierten Entomologen am Herzen. Im Juli ist er wieder im Ferbitzer Bruch und hofft auf interessante Fänge. Möglicherweise geht ihm dann endlich die Ried-Maskenbiene (Hylaeus pfankuchi) ins Netz. Diese Wildbiene lebt in Röhrichten und auf Feuchtwiesen und wird in Deutschland nur sehr selten gefunden. Die Mohnbiene dagegen wird er im Juli nicht mehr finden. Sie fliegt erst wieder im nächsten Mai.  

Hintergrund 

Die Gebiete „Döberitzer Heide“ und „Ferbitzer Bruch“ in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz „Döberitz“ am westlichen Rand von Berlin stehen seit 1997 unter Naturschutz. Die abwechslungsreiche Landschaft beheimatet viele verschiedene Lebensraumtypen und genießt deshalb einen europaweiten Schutz nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Offene Sandflächen, Mager- und Trockenrasen, lichter Wald und sonnenbeschienene Waldränder ermöglichen eine große Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen. Auch ist die Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide zugleich Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung, so genannte Special Protected Areas (SPA) und Important Bird Areas (IBA).

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