Zwischen dem 17. April und 1. Juni konnte online für einen von sechs tierischen Gartenbewohnern abgestimmt werden. Mit der Aktion möchte die Heinz Sielmann Stiftung auf den dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt in unserer Kulturlandschaft hinweisen. Mit 31,7 Prozent der Stimmen lag der Igel (Erinaceus europaeus) klar vor den anderen Kandidaten. Den zweiten Platz belegte mit 23,1 Prozent der Stimmen die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta), dicht gefolgt vom Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus), der 17,2 Prozent der Stimmen bekam.
Igelpopulation im Sinkflug?
Bei Gefahr kugelt er sich zusammen, seine Stacheln schützen ihn vor Feinden und den Tag verschläft er versteckt im Unterholz. Jeder kennt ihn, den Igel, aber immer seltener wird er dabei beobachtet, wie er durch den Garten trippelt. Für ein Tier, das so populär ist, macht sich der Igel in den letzten Jahren ziemlich rar. Selbst die Wissenschaft weiß erstaunlich wenig über ihn. Was allerdings immer klarer wird: Heimlich, still und leise ist das Stacheltier europaweit in Bedrängnis geraten. Es gibt nicht viele Studien über den Igel. Als nachtaktive Tiere sind sie schwer zu beobachten. Vor allem gab es bislang wenige Gründe, die Art wissenschaftlich zu untersuchen. Lange galten die Bestände als gesichert. In Wahrheit geht die Zahl der Igel spätestens seit Mitte der 1990er Jahre stark zurück. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Untersuchungen, für die bestimmte Straßenabschnitte in Bayern und Hessen Jahrzehnte lang regelmäßig abgefahren wurden. Der Bestand der Igel lässt sich anhand der Verkehrsopfer einschätzen: Viele tote Igel am Straßenrand deuten auf einen hohen Bestand hin, wenig tote Igel auf einen Niedrigen. Bis heute ist der Bestand regelrecht zusammengebrochen. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Die Igel leiden besonders unter dem Insektensterben, denn sie finden immer schwerer ausreichend Nahrung. Auch die Zerstörung der Lebensräume, die intensivere Landwirtschaft und der Klimawandel spielen eine Rolle: Wird es zwischen November und Februar zu warm, wachen die Winterschläfer zu früh auf und verlieren bei der Nahrungssuche zu viel Energie.
Gefahr im Garten: Nachtfahrverbot für Mähroboter
In jüngster Zeit sind neue technische Gefahren hinzugekommen: Mähroboter machen vor kleinen, zusammengerollten Igel nicht Halt. Auch Laubbläser und Motorsensen sind eine Gefahr für die Tiere. Die Zahl der Igel, die mit schlimmsten Verletzungen zu Auffangstationen gebracht werden, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dabei helfen hier schon einfache Maßnahmen, die Gartenfreunde leicht umsetzen können. Mähroboter sollten am späten Nachmittag wieder die Ladestation aufsuchen und nachts ihre verdiente Pause bekommen. Wenn Igelmütter mit ihren Jungtieren tagsüber im Garten unterwegs sind, sollte der Roboter gänzlich in Urlaub geschickt werden. Vor dem Einsatz von Motorsensen, soweit er denn absolut nötig ist, sollten Hecken, Holzstapel oder Reisighaufen nach Igeln abgesucht werden.
Laubhaufen statt Schneckenkorn: Naturnah Gärtnern für Igel und Co.
Igel lassen sich dort nieder, wo sie genügend Nahrung und Versteckmöglichkeiten finden. Da sind auch Kommunen gefragt, die Friedhöfe und Parkanlagen pflegen – und Gartenbesitzer. Wer Schneckenkorn im Garten ausbringt, darf sich nicht wundern, dass keine Igel unterwegs sind. Beinahe jedes Ordnungsstreben im Garten schadet den Igeln. Ein kurz geschorener Rasen bietet keine Nahrung und keine Deckung für Insekten und damit auch nicht für Igel. Die Wildtiere profitieren davon, wenn sich wenigstens in einigen Bereichen der Gärten richtige Wiesen entwickeln können. Alles, was möglichst naturnah ist, hilft: Der Verzicht auf Pestizide, das Verwenden heimischer Pflanzen und Gehölze, weil heimische Insekten nur mit diesen auch etwas anzufangen können. Und nur, wenn es genug „Schmuddelecken“ im Garten gibt, wo das Laub nicht weggefegt wird, wo ein paar Äste herumliegen dürfen, finden Igel genügend Möglichkeiten, sich ein Nest für den Tag und für den Winterschlaf zu bauen.
„Jeder Gartenfreund kann selbst etwas für das Gartentier des Jahres tun“, erklärt Nora Künkler, Biologin bei der Heinz Sielmann Stiftung. „Die aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse zum Zustand der biologischen Vielfalt zeigen, dass wir auf einen dramatischen Wendepunkt zusteuern, wenn wir den Verlust der Artenvielfalt nicht jetzt aufhalten. Jeder zweite Haushalt besitzt einen Garten, das sind etwa 20 Millionen Gärten in Deutschland. Allein alle Kleingärten, etwa eine Million insgesamt, bedecken eine Gesamtfläche von 40.000 Hektar. Gärten haben eine wichtige Funktion als Ersatzlebensräume und Trittsteine für Tier- und Pflanzenarten. Gärtner müssen sich ihrer Verantwortung für den Artenschutz bewusst sein. Mit einer naturnahen Gestaltung können sie einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten.“ Im naturnahen Garten sollte auf Insektizide, Pflanzenschutzmittel und chemische Dünger verzichtet werden. Durch die kluge Kombination von Pflanzenarten lässt sich ihre natürliche Abwehr stärken. Wilde Ecken im Garten bieten Nahrung und Rückzugsräume für Tiere. Totholzstapel etwa werden zum Winterquartier für Erdkröte oder Igel. Blumenwiesen statt Golfrasen locken Nützlinge wie Schmetterlinge, Käfer oder Hummeln in den Garten und bedeuten Zeitersparnis für den Gärtner. Statt den lärmenden Mäher über den Rasen zu schieben, kann der sich im Liegestuhl zurücklehnen und das bunte Treiben im Garten beobachten.