Nach dreijähriger Corona-Pause sind die Benediktbeurer Gespräche zurück im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) am Kloster Benediktbeuern. Benedikt Hartmann, Geschäftsführer des ZUK, und Dr. Fritz Brickwedde, Vorsitzender des Stiftungsrates der Heinz Sielmann Stiftung, eröffneten die Tagung im voll besetzten Allianz Saal und stimmten die Anwesenden auf hochkarätige Podiumsteilnehmer und kontroverse Diskussionen ein.
Heinz Sielmann Stiftung fordert Gesamtkonzept für Flächennutzung
„Um dem Klimawandel zu begegnen und das Artensterben zu stoppen, werden große Flächen benötigt“, sagte Brickwedde in seiner Begrüßungsrede und brachte damit die gesellschaftliche Sprengkraft des diesjährigen Diskussionsthemas auf den Punkt. Der Umstand, dass in landwirtschaftlichen Gebieten neue Wind-, Solarparks und insbesondere mehr Schutzgebiete für die bedrohte Artenvielfalt entstehen müssen, verschärfe die Flächenkonkurrenz zwischen Naturschützern und Landwirten immer weiter. Umso wichtiger sei es – darin waren sich alle Bühnengäste einig – miteinander zu reden und gemeinsame Lösungen zu finden.
Zugleich warnte Brickwedde davor, eine globale Krise gegen die andere auszuspielen: „Klima- und Biodiversitätsschutz sind genauso wichtig, das betonen wir als Heinz Sielmann Stiftung ausdrücklich.“ Auch die Konsumenten sieht Brickwedde in der Pflicht: „Es ist ein Skandal, dass wir ein Drittel unserer Lebensmittel wegwerfen“, sagte er.
EU-Politikerin Sarah Wiener übt scharfe Kritik
In der anschließenden Diskussion trafen vor allem die Positionen der beiden EU-Parlamentarier Manfred Weber, Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), und Sarah Wiener, Fernsehköchin und parteiloses Fraktionsmitglied der Europäischen Grünen, konträr aufeinander. Die ablehnende Haltung der EVP hinsichtlich der im Europäischen Green Deal vereinbarten Pestizidreduktionsziele bezeichnete Wiener beispielsweise als „Komplettverweigerung“. „Sie können nicht für gesunde Lebensmittel und Umweltschutz und gleichzeitig gegen Pestizidreduktion sein“, lautete Wieners Vorwurf an Weber.
Weber wiederum gab zu bedenken, bei der von Wiener und ihrer Partei vorangetriebenen Pestizidverordnung würden auch die Umweltminister vieler EU-Länder noch Zweifel haben und eine Impact-Analyse fordern. Die europäischen Flächensubventionen für Landwirte verteidigte Weber und lobte die gerade in Kraft getretenen Reformen in der Gemeinsamen Europäischen Agrarförderpolitik (GAP). „Ich glaube nicht daran, dass wir Politiker die Richtigen sind, zu entscheiden, was und wieviel produziert wird“, argumentierte er und plädierte dafür, Bauern grundsätzlich mehr Respekt und Vertrauen entgegenzubringen.
Dem schloss sich auch Walter Heidl, Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), an. Um für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, warb er unter anderem dafür, strengere Vorgaben für importierte Lebensmittel einzuführen. Diese sollten nach denselben in Europa geltenden Standards hergestellt werden müssen. „Der deutsche TÜV muss ja auch eingehalten werden, wenn japanische Firmen ihre Autos nach Deutschland importieren“, so Heidl.
Zusammenarbeit häufig besser als dargestellt
„Die Agrarlandschaft ist das Sorgenkind des Naturschutzes“, bilanzierte Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV). Er machte dies an den dramatischen Bestandsverlusten bei vielen Feldvogelarten fest. In seiner Jugend seien beispielsweise Rebhühner noch 40- bis 50-mal so häufig gewesen wie heute. Hauptursache dafür sei die weiter steigende Intensivierung der Landwirtschaft.
Zugleich betonte Schäffer, die Zusammenarbeit zwischen Naturschützern und Landwirten sei häufig besser, als in den Medien dargestellt. Ausdrücklich lobte er die Forstschritte, die in Bayern im Zuge des erfolgreichen Volksbegehrens „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!“ erzielt worden seien. Die Flächen für den Vertragsnaturschutz hätten sich beispielweise in den letzten vier Jahren fast verdoppelt.
Mehr miteinander als übereinander reden
Dr. Lutz Spandau, Vorstand des ZUK-Trägerverbundes, übernahm wie gewohnt die Moderation des Abends und stellte abschließend noch einmal klar: Letztgültige Antworten darauf, wie die Erfordernisse des Klima- und Naturschutzes mit den heutigen Produktions- und Markbedingungen der Landwirtschaft in Einklang gebracht werden können, seien bisher nicht in Sicht. „Daher wird es auch in Zukunft wichtig bleiben, mehr miteinander als übereinander zu reden“, sagte Spandau. Die Benediktbeurer Gespräche haben insofern wichtige Impulse für die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft geliefert.
Die 24. Benediktbeurer Gespräche fanden am 11. und 12. Mai 2023 im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) am Kloster Benediktbeuern statt.