Während der Hungerjahre des 30jährigen Krieges wurde der Waldrapp in Deutschland durch Menschen gründlich bejagt. Diese Gefahr droht ihm heute in Mitteleuropa nicht mehr. Aus diesem Grund bemüht sich die Heinz Sielmann Stiftung gemeinsam mit dem österreichischen Waldrappteam, die Wiederbesiedlung des Alpenraums durch den Waldrapp zu realisieren. In dieser Woche beginnt nun die erste Phase des diesjährigen Projektes: 14 geschlüpfte Waldrappküken werden zunächst im oberösterreichischen Scharnstein von menschlichen Zieheltern aufgezogen. Mitte Juni siedeln die Tiere ins bayerische Burghausen um und werden trainiert, einem Leichtfluggerät zu folgen.
"Tag und Nacht sind die Zieheltern des Waldrappteams für die Jungvögel da und es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie schnell sich die Winzlinge entwickeln und bereits im Spätsommer eine über 1.000 Kilometer lange Reise auf sich nehmen können", erklärt Holger Belz von der Heinz Sielmann Stiftung.
Im Herbst des ersten Lebensjahres werden die Waldrappe in ein geeignetes Winterquartier in die Toskana geführt. Hier werden die Vögel selbständig und kehren erst, wenn sie in zwei bis drei Jahren geschlechtsreif sind, ohne weitere Hilfe in das Aufzuchtgebiet zurück, um dort selbst zu brüten und die Nachkommen wieder in das Überwinterungsgebiet zu führen. Dr. Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams, verweist auf die Erfolge der bisherigen Arbeit: "In den vergangenen Jahren wurden bereits drei menschengeleitete Migrationen durchgeführt. Im Frühjahr 2007 sind die ersten Waldrappe selbständig nach Österreich zurückgekehrt. Ein Paar hat erfolgreich gebrütet. Im Herbst 2007 sind die Vögel wieder zurück nach Italien geflogen."
Und auch für das Frühjahr 2008 kann Projektleiter Johannes Fritz vom Waldrappteam den Erfolg des Projektes am Beispiel von aus Italien nach Österreich zurückgekehrten Vögeln bestätigen: "Dieses Jahr sind es schon sechs Vögel und bei zwei Paaren hat die Brutaktivität begonnen. Wir können also sagen, dass es nun nach über 350 Jahren wieder die ersten, frei lebenden und selbständig migrierenden Waldrappe in Europa gibt."
Das Projekt beruht auf moderner Technik und einer faszinierenden Methode, die auf Erkenntnissen von Konrad Lorenz basiert und verhaltensbiologisch mit der Nachfolgeprägung erklärbar ist. Die Mitarbeiter des Waldrappteams haben nun alle Hände voll zu tun, die hungrigen Schnäbel zu stopfen und die kleinen Schreihälse zu gesunden und starken Vögeln aufzuziehen. Die Küken wurden dem Projekt von den Zoos in Prag und Zürich sowie dem Tiergarten Schönbrunn und der Konrad-Lorenz Forschungsstelle Grünau zur Verfügung gestellt.