Sielmanns Biotopverbund Nette im Nettetal

Artenreiche Flusslandschaft statt wilder Deponie

Einst kämpfte das Tal rund um den Fluss Nette mit Müll. Dünger und Pestizide aus der konventionellen Landwirtschaft belasteten die Gewässer. Heute prägen extensive Landwirtschaft und seltene Arten wie die Kuckucks-Lichtnelke die Feuchtlandschaft.

Müll und Schutt

Alles begann 1983: Aufmerksame Naturliebhaber entdeckten bei Seesen-Herrhausen eine wilde Deponie. Bauschutt, Zaunreste und Abfälle aller Art lagerten auf einer Länge von 150 Metern direkt am Ufer der Nette. Hier ergriffen engagierte Anwohner selbst Initiative. Sie gründeten den Verein Aktion Naturland Seesen e.V. und kauften noch im selben Jahr die Schuttfläche, um sie als Biotop für seltene Tier- und Pflanzenarten wiederherzustellen.

In den nächsten 35 Jahren setzte der Verein viele erfolgreiche Biotop-Projekte um und sorgte stets dafür, dass sämtliche Baumaßnahmen und Flächenplanungen der Region stets auch die ökologische Aufwertung des Biotopverbundes im Nettetal im Auge hatten. So beispielsweise auch nach dem Bau eines Rückhaltebeckens, das nötig wurde, um Überflutungen der Nette bei Schneeschmelze oder Starkregen abzufangen. Als Ausgleich für die massiven Baumaßnahmen entstand eine große neue Wasserfläche für Wassertiere und -vögel. Die sogenannten Polderflächen können gezielt geflutet werden. 2018 gab der Verein das Flächenmanagement des Biotopverbunds in die Obhut der Heinz Sielmann Stiftung, die seitdem gemeinsam mit der Stadt Seesen die Arbeit des Vereins fortsetzt.

Der Weg zurück zum einstigen Feuchtgebiet

Ziel war es, Lebensräume und Arten im Nettetal links und rechts des Gewässerlaufs zu erhalten und die Rückkehr von Biotopen und Arten zu ermöglichen. Im ursprünglich feuchten Nettetal, das seit Mitte des 20. Jahrhunderts insbesondere für landwirtschaftliche Zwecke trockengelegt wurde, konnten durch den Kauf von Flächen auch einstige Ackergebiete zurück zu Grünland umgewandelt und neue Stillgewässer angelegt werden. Diese dienen als Trittstein für Pflanzen und Tiere.

Ein weiterer Wert des Biotopverbunds sind die flussbegleitenden Galeriewälder. Auch sie verbinden Lebensräume miteinander und ermöglichen damit die Ausbreitung und Wanderung der Tier- und Pflanzenarten. Fortan werden die Flächen ständig weiterentwickelt. Seit 2022 beispielsweise wird ein Teil der Flächen extensiv beweidet.

Umgebungskarte

Der Biotopverbund Nette heute

Die Sicherung des Nettetals als Biotopverbund mit seinen wertvollen Grünflächen und Gewässern trägt Früchte: Insekten und Schmetterlinge wie Admiral oder Landkärtchen schwingen sich in der Landschaft des Nettetals durch die Lüfte. Feuchtgebiete dienen Zugvögeln als Rastplatz. Auch viele Pflanzenarten haben wieder einen passenden Platz im bunten Mosaik aus Wiesen, Hecken und Auwald gefunden.

Zahlreiche Singvogelarten entdeckt

Charakteristische Singvogelarten im Nettetal sind unter anderem Sumpfrohrsänger, Neuntöter und Blaukehlchen. Dank der Pflanzung Tausender Gehölze und der natürlichen Verbreitung von Wildsträuchern findet eine Vielzahl an Singvogelarten in den Laubholzhecken idealen Lebensraum. Sie bieten Nahrung, Schutz und Nistplätze.

Geliebtes Zuhause und Ort zum Ausruhen

Seltene Wasservögel wie Wasseramsel, Eisvogel, Gebirgsstelze und Zwergtaucher brüten an der Nette. Bekassine und Wasserralle sind Highlights der Stillgewässer. Diese laden auch allerhand Zugvögel ein, eine Pause auf ihrem Weg nach Norden oder Süden einzulegen, unter ihnen diverse Entenarten, Singschwäne, Silberreiher, Fischadler und Kraniche. Auch Schwarzstorch und Kiebitz wurden schon beobachtet. Mauersegler, Mehl- und Rauchschwalben, ebenso Uferschwalben finden hier ihre Nahrung.

Seltene Libellen und Schmetterlinge

Jede Menge Wasserinsekten tummeln sich an diesem Ort. Seltene Libellenarten wie die Blaugrüne Mosaiklibelle, die Herbstmosaiklibelle oder das Große Granatauge umschwärmen die Ufer der Nette. Auch Schmetterlinge treten in erstaunlicher Vielfalt auf. Auffällig sind dabei jene Arten, die besonders von den Brennesselbeständen profitieren wie der Kleine Fuchs, Admiral, Landkärtchen oder das Tagpfauenauge.

Fische finden ideale Laichplätze

Auch Fische wie Forellen und die seltene Bachschmerle leben in der Nette. Die typischen Kiesbänke im naturbelassenen Flussbett eignen sich als bevorzugte Laichplätze für Forellen.

Kinderstube für Frosch und Kröte

Selbstverständlich haben sich dank der Wiedervernässung und der neu entstandenen Wasserlöcher und Tümpel verschiedene Amphibien wie Frösche, Kröten und Molche im Nettetal eingefunden. In den Gewässern finden sie passende Laichgebiete. Gleichzeitig dienen sie als Nahrung zum Beispiel für den Graureiher und den Weißstorch, der nach 1950 wegen der Trockenlegung des Gebiets als Brutvogel aus der Region verschwunden war und jetzt hierher zurückkehren mag.

Feuchtliebende Pflanzenarten

Im Uferbereich unter Weiden und Erlen wachsen die Pestwurz und der Aronstab. Auf den Feuchtwiesen an den Gewässerrändern sieht man die auffälligen Rohrkolben. Sumpfdotterblume, Wasserschwertlilie, Sumpfstorchschnabel und Bittersüßer Nachtschatten wachsen ebenfalls üppig an den feuchten Standorten des Nettetals.

Neue Rückzugsräume am Ufer

Feldgehölze und Bäume entwickelten sich abseits jeglichen Nutzungsdrucks auf ganz natürliche Weise. Entlang des Nette-Ufers und in der Aue bieten sie Rückzugsräume und Futterquellen für Vögel, Wild und Reptilien. Auch Kleinsäuger und Insekten finden in diesen neu geschaffenen Biotopen einen Unterschlupf.

Wiesenpflanzen bieten Nahrung

Etwa 50 Prozent der Flächen im Nettetal werden als extensiv genutztes Grünland erhalten. Galloway-Rinder halten Teile nördlich des Hochwasserrückhaltebeckens kurz. Außerdem versorgt ihr Dung kotfressende Insekten und den Boden mit Nährstoffen. Die weniger feuchten Wiesen werden überwiegend ein- bis zweimal im Jahr gemäht. Das verhindert die Verbuschung: Wiesenpflanzen wie Kuckuckslichtnelke, Sumpfdotterblumen und Wiesenschaumkraut können sich ausbreiten und bieten Nahrung für Insekten und Vögel.